Das Gemälde des griechisch-spanischen Malers Dominikos Theotokópoulos, besser bekannt unter dem Namen El Greco, illustriert den Moment, den das Evangelium so schildert: Nach der dreimaligen Leugnung, Jesus überhaupt nur kennen, ging „er (Petrus) hinaus und weinte bitterlich.“ Mit großer Intensität wird im Gemälde des Meisters des spanischen Manierismus dieser dramatische Moment der Reue des Apostels geschildert. Gleichzeitig zur Situation des Petrus wird der verurteilte Jesus weiter von einem Verhör zum nächsten geschleppt, treiben die Soldaten ihren Spott mit ihm, wird ihm rohe Gewalt angetan.

Vor einem dunklen Hintergrund begegnet uns der Fischer vom See Galiläa in einem Moment höchster Konzentration. Augen und Wangen gerötet vom Weinen, ist er ganz abwesend von der ihn umgebenden nächtlichen Realität. Links im Hintergrund spielt sich das Leben, an dem er bis vor Kurzem noch teilnahm, mit einiger Bewegung ab. Der Apostel allerdings ist eingetreten in einen abgelegenen Ort. Der Blick ist erhoben, aber die Schau dieses Mannes ist innerlich. Er sieht die ganze Bosheit seines armseligen Versagens. Mit ganzer Wucht ist die Einsicht in die eigene Unzulänglichkeit über ihn hereingebrochen. Die Hände sind wie zum inständigen Gebet gefaltet, drücken aber auch das Bedrückende, Verzehrende und Ausweglose der ganzen Situation aus. In Höhe der Herzens gehalten, bezeichnen sie den Ort der größten Seelenqual. Die „Schlüssel des Himmelreiches“ baumeln fast wie eine Anklage am linken Arm. Sie stehen im starken Gegensatz zum Treubruch des Petrus. Sie standen für den vertrauensvollen Auftrag des Apostelfürsten im Namen Jesu „auf Erden zu binden und zu lösen“, jetzt stigmatisieren sie den Verräter.
Die Szene wird beleuchtet von einem von oben einfallenden Licht. Gesicht, Gewand und Arme werden von weit her warm beschienen. Die Kleider deuten die Zerrissenheit des Bereuenden an. Wie ein Riß geht der Kontrast der Farben durch das Bild. Am Baum im Hintergrund des Gemäldes rankt frisches Grün – das Leben ist scheinbar noch nicht gewichen aus diesem Stamm des Holzes.
Für jeden Menschen, der den Weg des Glaubens begonnen hat, gehört die Reue zu den ersten Erfahrungen des geistlichen Lebens. Es ist die schmerzhafte und ehrliche Einsicht in die eigene Realität des Lebens. Reue ist die Traurigkeit, die sich einstellt, wenn ich mir bewußt werde, dass ich längst nicht der bin, der ich sein könnte, der ich hätte sein sollen. Das kann eine sehr schmerzhafte Erkenntnis sein, wenn hinzukommt, das andere unter meinem Fehlverhalten leiden mußten.
Auf das Gefühl der Reue können wir Menschen ganz unterschiedlich reagieren. Hierzu zähle ich nicht, das bewußte Leugnen des eigenen Versagens, denn dieses Verhalten bricht den Prozess der Reue gleich zu Beginn ab. Die persönliche Entwicklung, die durch Reue ausgelöst werden kann, wird hier nicht zugelassen. Hier soll die Rede sein vom Menschen, der sich dem Geschenk der Reue nicht von vornherein verschließt.
Die Reue kann im Menschen einen fruchtbaren oder einen zerstörerischen Prozeß auslösen. Vom Verräter Judas Iskariot wird berichtet, dass seine Reue nicht zur Begegnung mit der Barmherzigkeit Gottes führte, sondern in die Verzweiflung und die Vernichtung. Bereuen zu können ist eine Wohltat. Sie kann uns von unserem kleinlichen Versagen zur Annahme der überwältigenden Verzeihung durch Gott führen – oder eben nicht. Reue muß sich unterscheiden von gekränktem Stolz. Jemand kann wohl sehr großen Schmerz über einen Fehler empfinden, aber vor allem aus Enttäuschung über sich selbst. Die Reue, die uns in die Arme Gottes wirft, hat die verletzte und zurückgewiesene Liebe im Blick nicht so sehr den tiefen Fall eines ambitionierten Charakters.
Von Judas erfahren wir nicht, ob seine Reue mit Tränen verbunden war. Und wenn doch, hatten sie keine reinigende, lösende Wirkung. Petrus hingegen wird durch seine Tränen der Reue ganz aufgelöst. Seine Angst ist mit den Tränen verflossen. Es ist seine Taufe und seine Neuschöpfung. Es stellt sich eine Ruhe ein, die dem Wirken Gottes Raum gibt. Auf dem Gemälde El Grecos werden wir Zeugen der Wiedergeburt eines Menschen aus der Gnade.
Eine gesegnete Fastenzeit.