Die Scheinwerfer richten sich auf ihn: Robert Schmittner. Der 43-jährige Höhlentaucher, Entdecker und Expeditionsleiter aus Aschaffenburg, wies zuletzt mit Kollegen auf der mexikanischen Halbinsel Yucatán die mit knapp 350 Kilometern längste Unterwasserhöhle der Welt nach. Nun stellen er und Forscher in Mexiko-Stadt ihre Erkenntnisse vor. „Da ist er, der Held!“, ruft ein mexikanischer Journalist Schmittner zu.
Es ist warm in Mexikos Hauptstadt. Schmittner hat die Hände locker in die Hosentasche gesteckt. Er trägt Jeans und Poloshirt. Seine Haare sind kurz geschnitten. Schmittner ist ein sportlicher Mann mit einem Lächeln um die Augen. Sollte er die Aufmerksamkeit genießen, dann tut er das still.
Schmittner ist ein ruhiger Typ. Und das ist vermutlich auch gut so. Denn für seine Arbeit brauchte er Geduld und Nervenstärke. Insgesamt 14 Jahre erforschte er die Unterwasserhöhlen am Rande der mexikanischen Karibikküste. Bei Tulum, wo Touristen gerne im kristallklaren Wasser schnorcheln, ging er in die dunkle Tiefen. Er war sich sicher, dass die Höhlen Sac Aktun und Dos Ojos eine Verbindung haben. Und er hatte Recht.
Die Nachricht von der Entdeckung der weltweit längsten Unterwasserhöhle brachte Schlagzeilen. Das Labyrinth in der Höhle ist ein Universum aus Stalagmiten, durch das die Taucher schwebten. Manchmal war es in der Höhle erdrückend eng: „Wenn mir hier die Luft ausgeht, dann war’s das“, sagt Schmittner. Darum sei es so wichtig, bei den Tauchgängen ruhig zu bleiben.
Eigentlich wollte Schmittner 1996 in Mexiko nur einen Höhlentauchkurs machen. „Und dann war es plötzlich um mich geschehen“, sagt er. „Die Höhlen gingen mir nicht mehr aus dem Kopf.“ Aus einem geplanten halben Jahr wurden 20 Jahre. Schmittner kündigte seinen Job als Forstwirt und schloss sich einem Team von Forschern an.
Die Welt unter Wasser ist für Schmittner eine unentdeckte Traumwelt. „Die Berge sind bestiegen, aber unter Wasser findest du Knochen am Boden von einem Urelefanten oder Menschen und realisierst, du bist der erste Mensch, der das sieht, das ist ein Gefühl. Das macht Gänsehaut“, sagt er.
Die Forscher stellen ihre Funde im anthropologischen Museum in Mexiko-Stadt vor. In dem Haus bewahren die mexikanischen Behörden ihre kulturellen Schätze auf. Schon mit der Wahl des Ortes für die Pressekonferenz wird klar, was für einen Stellenwert die Veranstaltung für die Behörden hat.
Der mexikanische Unterwasser-Archäologe Guillermo de Anda zeigt Bilder von menschlichen Schädeln und von verbrannten Knochen. Die Forscher fanden darüber hinaus Knochen von Bären, Faultieren und Elefanten. Handelt es sich dabei um Relikte aus der Eiszeit? Sind es Hinterlassenschaften der ersten Siedler Amerikas? Es könnte sein. Auch Zähne sind erhalten. Deren DNA wird darüber noch Aufschluss geben.
Die Wissenschaftler haben auch Vasen und Masken der Maya gefunden. Altäre deuten darauf hin, dass es sich bei den Höhlen möglicherweise um rituelle Räume für die Maya handelt. Mitunter wurden diese Räume sorgsam verschlossen.
Irgendwann drang Wasser in die Höhlen ein. Vieles, was nun gefunden wurde, blieb über Jahrtausende in der Dunkelheit verborgen. Manche bezeichnen die Höhlen als Museum unter Wasser. Die archäologische Bedeutung sei unermesslich, sagt de Anda. „Wir reden von einem Zeitraum von über 10.000 Jahren. Von den ersten Einwohnern Amerikas, ausgestorbener Fauna, bis hin zur Mayakultur“, sagt er.
Es ist ein Schatz, den man gar nicht heben kann. Die Fragen sind vielfältig. Welche Tiere haben hier gelebt? Welche Aussagen kann man über den Klimawandel formulieren? Was kann man über die Vorstellungen der Maya über den Kosmos sagen? Das Team lädt Wissenschaftler dazu ein, sich an der Erforschung der Höhlen zu beteiligen.
Robert Schmittner wandert derweil ruhig von Interview zu Interview. Aber wenn man ihn fragt, ist es ihm doch ganz recht, alsbald aus dem Scheinwerferlich abzutauchen. Schmittner will zurück zu seiner Familie in Tulum, zurück in die Unterwasser-Höhlen. Schmittner ist sich sicher, dass noch größere Höhlen-Netzwerke existieren. „Es geht weiter“, sagt er.