Herr Faustmann, auch die Zeitschrift mitt. heißt Sie recht herzlich in Mexiko willkommen! Unsere Leser möchten Sie gerne kennen lernen. Daher haben wir ein paar Fragen vorbereitet; die Antworten dazu werden uns ein wenig von Ihnen erzählen.
Wenn Sie Ihren Weg nach Mexiko an vier Lebensstationen aufzeigen müssten, welche Momente in Ihrem Leben sind das und warum?
Ich stamme aus Potsdam bei Berlin und bin dort aufgewachsen. Nach meinem Theologiestudium in Erfurt habe ich ein einjähriges Praktikum in Peru und Venezuela verbracht. Dort ist meine Freude am amerikanischen Kontinent wohl erwacht. Seitdem hatte ich den Wunsch, einmal hier als Priester zu arbeiten. Dazwischen lagen aber noch 15 Jahre, in denen ich in verschiedenen Pfarreien im Erzbistum Berlin tätig war. Das Auslandssekretariat der Deutschen Bischofskonferenz hat im vergangenen Jahr entschieden, dass es in Mexiko weiterhin einen deutschsprachigen, katholischen Seelsorger geben soll. Mit viel Überredungskunst und langem Atem bin ich dann schließlich an die Stelle gekommen, die immerhin an eine über 55jährige Geschichte von deutschen Priestern in Mexiko anknüpfen kann.
Wie ist Ihr erster Eindruck von Mexiko und Ihrem neuen Zuhause?
Ich wohne zusammen mit zwei mexikanischen Priestern im Pfarrhaus von St. Johannes Paul II. und St. Thomas Morus (wie die Pfarrei seit ca. einem Jahr heißt) in der Colonia Florida, nicht weit von Coyoacán. Diese Kirche wurde Anfang der Siebziger Jahre vom Erzbistum Köln erbaut und ist seither der Treffpunkt der deutschen Katholiken in Mexiko-Stadt. Für mich ist mein neues Zuhause ein Gewinn an Lebensqualität: in Deutschland war ich manchmal der einzige Bewohner von großen Pfarrhäusern, hier kann ich die schöne Erfahrung einer Gemeinschaft von Priestern machen, die ein Leben in Gemeinschaft führen: mit den Mahlzeiten, Austausch, Besuchen, Gebet und Gottesdienst. Das ist für mich ein ziemlicher Kontrast zum Leben als Pfarrer in Deutschland. Ich freue mich auch, dass ich zur seelsorglichen Mithilfe in der mexikanischen Gemeinde eingeladen werde, was mir viel Freude macht und mit Dankbarkeit von den Gläubigen aufgenommen wird. Ich habe den Eindruck, dass die deutschsprachige Seelsorge in Mexiko aufgrund von überzeugenden Pfarrergestalten in der Vergangenheit einen guten Ruf hat. Darauf kann man aufbauen.
Wen und/ oder was haben Sie schon fest in Ihr Herz geschlossen?
Ich bin fasziniert, wie viele Gespräche sich in Mexiko um das Essen drehen. Fast bei jeder Mahlzeit im Pfarrhaus werden die Vorzüge der mexikanischen Küche ausführlich erörtert, und ich muss sagen: völlig zu Recht! Offensichtlich legen die Mexikaner viel Wert auf gutes und gepflegtes Essen und sind stolz auf eine reiche kulinarische Tradition (wenngleich wohl nicht alle Gewohnheiten gleichermaßen gesund sind). In der kurzen Zeit meiner Anwesenheit habe ich schon eine Vielzahl von typischen Gerichten probieren können und ich freue mich darauf, viele weitere leckere Entdeckungen zu machen (und dabei möglichst noch das Gewicht zu halten, natürlich). Sympathische Wesenszüge, die mir bei manchen Mexikanern aufgefallen sind: Eine große Freude an lustigen, doppeldeutigen Formulierungen, am Erzählen mit Wortwitz und hintergründigem Humor, sowie ein natürlicher Sinn für die Bedeutung des Familienlebens. Alles Dinge, die mir auch gut gefallen.
An welchem Punkt möchten Sie gerne mit Ihrer Arbeit hier in Mexiko beginnen?
Ich bin überaus dankbar, in Mexiko-Stadt einen treuen und verlässlichen Stamm von deutschsprachigen Katholiken vorzufinden. In den vergangenen Jahren, die nicht immer leicht waren, haben sie mit großem persönlichen Einsatz und vielen Opfern das Gemein- deleben aufrechterhalten. Auch die Anwesenheit des mexikanischen Diözesanpriesters David Bolaños in der deutschen katholischen Gemeinde ist ein Glücksfall gewesen. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass unsere Gemeinde mit ihrer Glaubensverkündigung, ihren schönen deutschsprachigen Gottesdiensten und der gelebten Nächstenliebe noch mehr Katholiken in Mexiko erreichen könnte. Egal, ob schon lange in Mexiko sozialisiert oder nur für kurze Zeit hier oder auch nur aus einem vagen Interesse an Deutschland: eine deutschsprachige Gemeinde in Mexiko zu haben, ist eine große Chance. Wir können hier unsere gemeinsame Beheimatung im christlichen Glauben leben, in einer Welt, die vermutlich auch in Mexiko nicht viel Geborgenheit für unsere „aufgescheuchten Seelen“ (Dietrich Bonhoeffer, 1906-1945) bereithält. Ich hoffe, dass viele diese Chance sehen und für sich nutzen. Außerdem gehören für die meisten Menschen die Beziehung zu Gott und das persönliche Gebet in die Welt der Muttersprache. In der Sprache, in der uns zuerst von Gott erzählt wurde, leben wir meist auch unseren Glauben. Ich würde mich besonders freuen, wenn es uns gelänge, unseren Kindern diese feste Verwurzelung im Glauben als Grundlage für ihr Leben mitgeben zu können.
Möchten Sie uns etwas zum Jahresende auf den Weg mitgeben?
Mit dem Ende des Kalenderjahres stellt sich bei mir immer wieder die bange Erfahrung ein: Wie schnell doch die Zeit vergeht! Wo ist bloß die Zeit geblieben?! So vieles hätte ich noch tun wollen. So wenig bin ich auf meinem Glaubensweg weitergekommen… Der evangelische Dichter Jochen Klepper (1903-1942) beschreibt in einem seiner Gedichte („Der du die Zeit in Händen hast“), dass die Erfahrung der Vergeblichkeit, des scheinbar unaufhaltsamen Zerrinnens meiner Lebenszeit durchaus in Gottes Güte aufgehoben sein kann. Jeder Augenblick, auch wenn unwiederbringlich vergangen, bekommt, wenn ich ihn der Gegenwart Gottes verbracht habe, eine unzerstörbare, bleibende, ewige Bedeutung. Ich wünsche den Lesern, dass sie möglichst viele Erfahrungen von übergreifendem Sinn und bleibender Bedeutung in ihrem Leben machen!
Da alles, was der Mensch beginnt,
vor seinen Augen noch zerrinnt,
sei du selbst der Vollender.
Die Jahre, die du uns geschenkt,
wenn deine Güte uns nicht lenkt,
veralten wie Gewänder.
Wer ist hier, der vor dir besteht?
Der Mensch, sein Tag, sein Werk vergeht:
nur du allein wirst bleiben.
Nur Gottes Jahr währt für und für,
drum kehre jeden Tag zu dir,
weil wir im Winde treiben.
Herr Faustmann, haben Sie recht herzlichen Dank für Ihre Muse, uns etwas von Ihnen zu erzählen. Alles Gute für Ihre Zeit hier in Mexiko!
P. Mathias Faustmann
Parroquia San Juan Pablo II y Santo Tomás Moro
Av. Vito Alessio Robles 206
Colonia Florida
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Heilige Messe in deutscher Sprache jeden Sonntag um 10.30 Uhr.