„Ich hoffe, dass Franziskus uns ermahnt“

P. David Bolaños Villanueva
Parroquia Santos de América
Avenida Panamericana esquina Avenida Imán s/n
Pedregal de Carrasco
04700 Ciudad de México

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David Bolaños ist Seelsorger in der deutschen Gemeinde St. Thomas Morus in Mexiko-Stadt. Im Interview erklärt er, wie die Menschen in Mexiko dem Papst-Besuch entgegen sehen und warum er sich vom Pontifex nicht nur freundliche Worte erhofft.

Sonntags sind die Kirchen voll in Mexiko, allein in einer einzigen Pfarrei kann es schon mal bis zu zehn Gottesdienste pro Wochenende geben. Kaplan David Bolaños kümmert sich um die Seelsorge in der deutschsprachigen Gemeinde St. Thomas Morus in Mexiko-Stadt. Warum er sich trotz des hohen Katholikenanteils Sorgen um den Zustand der Gesellschaft in Mexiko macht und was er sich in diesem Zusammenhang vom Papstbesuch erwartet, erläutert er im Interview mit katholisch.de.

Frage: Kaplan Bolaños, vor einem Jahr sorgte Papst Franziskus für Ärger, als er wegen der wachsenden Drogenkriminalität vor einer „Mexikanisierung“ seines Heimatlandes Argentinien warnte. Mit welchen Gefühlen sehen die Gläubigen in Mexiko dem Papstbesuch entgegen?

Bolaños: In der Bevölkerung spielen diese Äußerungen von Franziskus keine Rolle mehr. Die Menschen freuen sich auf den Papst. Aber einige Zeitungen und Magazine berichten noch darüber. Und wer sich wirklich noch ärgert, sind einige Politiker und eben die Leute, die direkt in den Drogenhandel involviert sind. Aber die Mehrheit der Bevölkerung steht dem Papstbesuch sehr positiv gegenüber.

Frage: Werden Sie und Ihre Gemeinde dem Papst bei seinem Besuch persönlich begegnen?

Bolaños: Ich selbst werde ihn wohl nicht sehen. Ich habe in meiner Pfarrei schon sehr viel Arbeit. Außerdem habe ich keine der kostenlosen Eintrittskarten mehr bekommen für die Heilige Messe in der Basilika von Guadalupe hier in Mexiko-Stadt. Aber ich weiß, dass einige Gemeindemitglieder Tickets haben. Das ist auch ganz schön zeitaufwändig: Wegen der Sicherheitskontrollen wird empfohlen, bis zu sieben Stunden früher da zu sein. Das hat übrigens nicht die Kirche so bestimmt, sondern der Staat. Aber ich denke, dass es draußen auf der Straße viel einfacher sein wird, den Papst zu sehen. Die apostolische Nuntiatur, wo er übernachtet, ist ganz bei uns in der Nähe.

Frage: Was erwarten Sie sich vom Papstbesuch?

Bolaños: Franziskus hat ja selbst gesagt, dass er nicht primär in politischer Mission unterwegs ist, sondern als Pilger. Gleichzeitig hat er in den letzten Tagen immer wieder von Barmherzigkeit und Frieden gesprochen – auch im Zusammenhang mit seiner Reise nach Mexiko. Ich hoffe, dass er uns wohlwollend ermahnt. Denn obwohl der größte Teil der Bevölkerung Mexikos katholisch ist, stimmt etwas nicht in unserem Land. Am Wochenende sind unsere Kirchen voll, allein in meiner Pfarrei werden samstags und sonntags rund zehn Messen gefeiert. Aber es sind immer noch viele Verhaltensweisen verbreitet, die mit dem Glauben nicht vereinbar sind: Gewalt, Korruption, Drogen, es gibt Abtreibungen. Ich hoffe, dass der Papst uns motiviert, den Glauben ernst zu nehmen und zu leben.

Frage: Was sagen Sie zu der Reiseroute des Papstes?

Bolaños: Es wird am Samstag in Mexiko-Stadt ein Treffen mit den Bischöfen geben und am Dienstag in Morelia einen Gottesdienst mit Priestern, Ordensleuten, Geweihten und Seminaristen. Da erwarte ich mir schon auch einige offene Worte, nicht nur zu den gerade genannten Themen, sondern auch zum Umgang mit dem Missbrauchsskandal. In den vergangenen Wochen hat hier der Fall eines Priesters für Aufregung gesorgt, der 100 indigene Kinder missbraucht haben soll. Insgesamt ist die Reiseroute mit Bedacht gewählt: Chiapas, Michoacan, Ciudad Juarez, Ecatepec und Mexiko-Stadt sind alles Ortes, an denen Missstände und Gewalt besonders herrschen. Es hat einen tieferen symbolischen Sinn, dass Franziskus als Friedensbotschafter genau diese Orte besucht.

Frage: Wie wird der Glaube in Mexiko im Vergleich zu Deutschland und Europa gelebt?

Bolaños: In Mexiko gibt es in großen Teilen der katholischen Kirche noch eine ausgeprägte Volksreligiosität. Elemente der früheren Religionen der mexikanischen Ureinwohner sind in den Glauben eingegangen. Dafür sind Kirche und Staat sehr streng getrennt. Das Fach Religion gibt es in der Schule nicht, religiöse Bildung geschieht nur in der Kirche. Schließlich ist die mexikanische Kirche ganz stark von der Verehrung der Jungfrau von Guadalupe geprägt. Am 12. Dezember, wenn wir ihren Gedenktag begehen, feiern auch viele Menschen mit, die nicht katholisch sind.

Frage: Wie muss man sich das Gemeindeleben der katholischen Auslandsgemeinde in Mexiko vorstellen?

Bolaños: Allein in Mexiko-Stadt leben rund 55.000 Menschen aus Deutschland, es gibt also viel zu tun. In die Gottesdienste am Wochenende kommen so ungefähr 40 bis 70 Besucher. Viele Deutsche leben in Familien mit einem mexikanischen Partner – deren Kinder und Kindeskinder sprechen möglicherweise gar nicht mehr Deutsch als Muttersprache. Aber der Nachwuchs kommt – zumindest zum Teil – trotzdem mit in die Kirche. Wir feiern oft einen zweisprachigen Gottesdienst, auf Deutsch und Spanisch. So war es auch an Aschermittwoch.

Frage: Was sind die entscheidenden Themen, die die mexikanische Gesellschaft derzeit herausfordern?

Bolaños: Das sind wie gesagt immer noch Gewalt, Korruption und Drogenhandel. In den vergangenen Jahren hat sich vielleicht etwas verändert, aber nichts verbessert an diesen Zuständen. So wurde vielleicht an einigen Stellen korruptes Personal ausgetauscht – aber die Vorgehensweise blieb die gleiche. Auch von der aktuellen Regierung unter Enrique Peña Nieto ist nicht viel zu erwarten. Im Gegenteil: Die Lage ist noch schlimmer, Korruption und Armut haben sich vergrößert.

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