Am anderen Ende der Welt hat er es gemerkt. Wie sehr ihm die Heimat gefehlt hat und wie wichtig der Gebrauch der Muttersprache ist. Nach neun Jahren in Mexiko-Stadt ist Pfarrer Ralf Hirsch (43) nach Deutschland zurückgekommen. Seit 1. August leitet er die katholische Gemeinde St. Stephanus Wiesdorf/ Bürrig/Küppersteg und ist ins Bürriger Pfarrhaus eingezogen. „Bis zu meinen Eltern nach Bergisch Gladbach brauche ich jetzt nur noch 20 Minuten statt 20 Stunden“, sagt Hirsch.
Er war zunächst Pfarrer in Ratingen und „wollte mal raus“. Nach mehreren Jahren an gleicher Stelle habe er sich selbst an den Comic-Kater Garfield erinnert, erzählt Hirsch lachend: „Ich wurde fett, faul und philosophisch.“ Also fragte er bei der Personalabteilung des Erzbistums Köln nach, ob es für ihn andernorts eine Pfarrstelle gebe. Die Antwort: Ja, in Mexiko-Stadt. Damit hatte er nicht gerechnet, zumal er nicht einmal Spanisch sprechen konnte. Dennoch sagte er zu, belegte einen Intensivsprachkurs und packte die Koffer. Besser gesagt einen halben Container, in dem er vor allem Bücher an seinen neuen Wohnort bringen ließ. Hirsch wurde Pfarrer der deutschsprachigen und einer spanischsprachigen Gemeinde. 20 Gottesdienste pro Woche hielt er ab, 19 davon auf Spanisch. Von der Gemeinde sei er wie ein Küken aufgenommen worden, „Deutsche haben einen sehr guten Ruf „.
Jede Kirche hat ihren Geruch
Allerdings hatten die Mexikaner auch Erwartungen, erinnert sich Hirsch: „Ich musste hartnäckig predigen und zwar in jedem Gottesdienst.“ So möchte er es auch an seiner neuen Wirkungsstätte halten, „denn eine Predigt ist die große Chance, das Evangelium auszulegen und bei den Menschen anzukommen“. Der Priester selbst ist in einer eher unreligiösen Familie groß geworden. Seine Eltern ließen ihn nicht taufen, „das habe ich mit acht, neun Jahren selbst entschieden“. In der Gemeinde habe er erlebt, was ihm in der Schule verwehrt blieb: „Dort wurde ich so akzeptiert, wie ich war.“ Schlecht im Sport, sprachlich versiert – cool fanden seine Mitschüler ihn nicht. Für die Gemeinde Wiesdorf/Bürrig/Küppersteg wünscht er sich, dass auch sie ein Ort wird, wo sich Menschen gut aufgehoben fühlen.
Den Umzug von Mittelamerika ins Rheinland habe ihm das Erzbistum Köln vorgeschlagen, erzählt der Seelsorger: „Und wer sagt schon Nein, wenn der Arbeitgeber so direkt eine Stelle anbietet?“ In bester Erinnerung bleiben die Herzlichkeit, die Lebensfreude und die mexikanische Sonne. „Aber in der Ferne habe ich auch gelernt, dass ich eine Heimat habe. Das war mir vorher nicht so klar“, sagt Hirsch. Die Muttersprache, bestimmte Gerüche und Gebräuche verbinde er mit seinem Zuhause. Die Sinne spielen auch eine große Rolle, wenn er zum ersten Mal eine Kirche betritt. Jede Kirche habe einen anderen Geruch, einen anderen Lichteinfall. Zur Gemeinde St. Stephanus gehören fünf Gotteshäuser „und in allen wird es weiterhin Gottesdienste geben“, verspricht der Pfarrer.
Und was verbindet der 43-Jährige mit seinem neuen Wohnort Leverkusen? Als Jazzfan freut er sich auf die Leverkusener Jazztage; in der Bay-Arena dagegen wird man ihn wohl eher selten antreffen. „Ich habe eine zarte Affinität zum 1. FC Köln“, gibt er leise zu und fügt schnell hinzu: „Als Pfarrer muss man sich natürlich auch mit dem örtlichen Verein beschäftigen.“ Vielleicht wird er sich ja in den nächsten Wochen mal eine Chronik der Werkself durchlesen. Platz genug im Bücherregal hat Ralf Hirsch jedenfalls: Die meisten seiner Bücher hat er in Mexiko gelassen.